Im Rahmen unseres Fachgesprächs im Oktober haben folgende Experten darüber beraten, auf welcher Grundlage und mit welchen Kriterien eine klimaneutrale Innovations- und Technologieförderung erreicht werden kann: Jan Peter Schemmel, Prof. Armin Grundwald, Dr. Arndt Oschmann, Dr. Markus Kröll, Konrad Pfitzer, Dr. Ulrich Romer und Dr. Hannes Spieth. Innovation gerade hinsichtlich der technologischen Entwicklung gehören zum Selbstverständnis von Baden-Württemberg.
Unser Ziel ist es eine Technologie- und Innovationspolitik umzusetzen, die unseren Wohlstand sichert, unsere Wirtschaft transformiert, das Klima schützt und die Gesellschaft zusammenhält und damit das Leben der Menschen und unserer Umwelt verbessert.
Gerade zum jetzigen Zeitpunkt, in dem die Auftragsbücher zwar noch voll, die wirtschaftliche Lage aber immer unklarer wird, sind Antworten auf Fragen des Klimaschutzes immer drängender und werden tiefgreifende Transformationsprozesse in unserer Wirtschaft notwendiger denn je, um die Herausforderungen bewältigen zu können. Einer klimaneutralen Technologie- und Innovationsförderung kommt hierbei eine großen Bedeutung zu.
Auffällig bei der aktuellen Förderung ist, dass insbesondere KMU kaum oder nicht ausreichend am Innovationsgeschehen teilhaben, was aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und der von ihnen gestellten Beschäftigtenzahl die Innovationsdynamik des Landes insgesamt beeinflusst (Anteil KMU an FuE-Aufwendungen liegt bei ca. 9 %). BW muss daher im interregionalen, europäischen und globalen Wettbewerb große Anstrengungen unternehmen, um gerade die KMU zu stärken.
In Green Tech wurden die Zukunfts- und Wachstumsfelder für die künftige Innovationsfähigkeit gesehen und beispielhaft:
– Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Industrie 4.0,
– nachhaltige Mobilität,
– Gesundheitswirtschaft,
– Ressourceneffizienz und Energiewende sowie
– nachhaltige Bioökonomie
hervorgehoben.
Die Teilnehmer*innen diskutierten 3 Fragen:
A: Wie können Nachhaltigkeitskriterien noch besser in den Innovations- und Technologieförderprogrammen des Landes berücksichtigt werden?
Vor dem Hintergrund der EU Taxonomie muss die Technologie- und Innovationsförderung auf neue Füße gestellt werden! Die technischen Anhänge der TEG (Technische Expertengruppe) -Empfehlungen zur Taxonomie unterteilen hierfür die Wirtschaft in Aktivitäten entlang einer Klassifikation, die in der Regel mit der Kodierung nach NACE4 übereinstimmt. Sie berücksichtigt vor allem Aktivitäten, die für die CO2-Bilanz der EU relevant sind. Jeder erfassten Aktivität sind dabei für die Bereiche „Eindämmung des Klimawandels“ („climate change mitigation“) und „Anpassung an den Klimawandel“ („climate change adaption“) Informationen zugeordnet.
Um dem 1,5°C-Ziel Rechnung zu tragen, müssen Nachhaltigkeitskriterien noch stärker in den Innovations- und Technologieförderprogrammen des Landes integriert werden.
Dies erfordert auch das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und die Wende hin zu einer ökologischen, nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu schaffen.
Technische Innovationen sind ein entscheidender Baustein zur Erreichung der Klimaneutralität. Ein Großteil der z.B. dafür benötigten Emissionsreduktionen wird durch Technologien erreicht werden müssen, die heute noch nicht im Markt skaliert sind. Um auf dem Weg zur Klimaneutralität also die richtigen Technologien zur richtigen Zeit verfügbar zu haben, muss eine Innovationspipeline aufgebaut werden. Entlang dieser müssen Technologien, die heute noch im Labor erforscht werden, schnellstmöglich an den Markt herangeführt werden. Bereits weit entwickelte Lösungen muss durch marktschaffende Instrumente die Skalierung ermöglicht werden. Schon jetzt verbreitete Lösungen müssen Ihre Märkte noch schneller durchdringen.
Daher ist es notwendig für die Technologie- und Innovationsförderung ein Bewertungsschema zu entwickeln, das zum einen die Geschäftsmodelle und zum anderen die Transformationskonzepte der Antragsteller*innen betrachtet. Nicht nur Technologien, sondern insbesondere auch die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle und Wirkung der Transformationskonzepte soll betrachtet werden.
Die Betrachtung der Klimaneutralität/Klimafreundlichkeit – erfordert die Förderlücken in den Innovations- und Technologieförderprogrammen des Landes zu schließen, hierzu ist z. B. angezeigt zu prüfen, ob die Programme
– nachhaltigkeitsorientiert sind und es zur Beendigung von nicht nachhaltigen Praktiken, Technologien oder Nutzungssysteme kommt. Dies kann die Konsequenz haben, dass die Technologieoffenheit nicht immer und überall auch weiterhin gegeben ist!
und ob, für die Programme
– eine Priorisierung nach Reifegrad, Nutzung und Finanzierungsbedarf vorgesehen ist
– der konkrete Fachkräftebedarf aufgenommen ist und welche Möglichkeiten einer Entwicklungspartnerschaft gegeben sind.
B : Wie sollte sich die baden-württembergische Technologie- und Innovationsförderung weiterentwickeln, um Baden-Württemberg zum weltweiten Technologieführer bei intelligenten, ressourcensparenden und klimaschonenden Technologien zu machen?
Der Klimaschutz wurde als Impulsgeber für Technologie- und Innovationsförderung angesehen.
Die CO2-Reduktion muss zu einem strategischen Element der Technologie- und Innovationspolitik sowie von Unternehmensentscheidungen werden. Hierzu gehört auch die Transparenz der Lieferketten und damit der Treibhausgasemissionen zur klimaneutralen Produktion.
Es bestehen Förderlücken in den Innovations- und Technologieförderprogrammen des Landes. Folgende Maßnahmen können zur Weiterentwicklung der baden-württembergischen Technologie- und Innovationsförderung eingesetzt werden :
- Operative Unterstützung von Unternehmen in der Substituierung der Energieform (z.B. Gas, Elektro) inkl. Begleitung / Risikoabsicherung Planung, Konzeption, Konstruktion und auch „Serienqualitätssicherung“ der Produkte in der neuen Anlage
- Schaffung bzw. Erweiterung von Instrumenten zur Steigerung von Materialeffizienz
- Methoden & Verfahren zur Identifikation und Bewertung von Materialsubstitutionsmöglichkeiten
- Intensivierung von synergetischen Betrachtungen, u.a. Verknüpfung von Material- und Energieströmen (Waste-to-X)
- Digitale Lösungen und Designkriterien für die Maximierung der Kapazitätsauslastung von Anlagen sowie für die Verlängerung der Lebensdauer von Anlagen und Produkten
- Designkriterien zur durchgängigen wirtschaftlichen Reparaturfähigkeit von Produkten
- Digitaler Produktpass für Nachhaltigkeitsbewertungen sowie durchgängige Weitergabe von Nachhaltigkeitsinformationen über die gesamte Lieferkette
- Digitalisierung bzw. digitale Dokumenten(nachweise) von nachweispflichtigen Prozessen und Genehmigungsverfahren (z. B. in der Medizintechnik-/Pharma-Zulassung, Wartungsdokumentation in der Luftfahrtindustrie)
- Transferprogramme zur Übertragung von Best Practice Beispielen auf andere Unternehmen und Branchen
- Stärkung von Innovations-/Beratungsgutscheinen zum Forschungstransfer
C : Die gesellschaftliche Dimension einer klimaneutralen Technologie- und Innovationsförderung
Innovations- und Technologiepolitik ist Zukunftsvorsorge. Nur über eine ganzheitliche Innovations- und Technologieförderung werden wir es schaffen das Innovationsland Nummer eins in Deutschland und Europa zu bleiben. Ganzheitlich bedeutet für uns erstens, dass wir neben der technologisch-wirtschaftlichen Dimension von Innovation die ökologische und gesellschaftliche Ebene einbeziehen. Und zweitens schauen wir auf den Mehrwert: Innovation muss Antworten auf Herausforderungen bieten und sich in der Gesellschaft behaupten.
Geförderten Projekten sollten daher klima- und nachhaltigkeitsbezogene Wirkungsanalysen vorangehen, die auch die gesellschaftliche Verteilung von Nutzen und Belastungen beinhalten und nicht an nationalen Grenzen enden. Die klassische Schieflage in der Förderung zugunsten neuer Technologien sollte überwunden werden. Hauptkriterium der Förderung muss der erwartete, ganzheitlich bewertete und positive Beitrag von Technologien bzw. sozio-technischen Systemen oder Teilen davon, zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit sein. Transformation braucht Zeit, insbesondere dort, wo auf längere Frist angelegte Investitionen Pfadabhängigkeiten erzeugen. Sie erfordert häufig einen langen Atem der Förderung und ein längerfristiges Monitoring der Transformationsfolgen, um die erzielten Effekte genauso wie mögliche nicht intendierte Folgen überhaupt erkennen zu können. Hierbei muss zwischen den Zielen einer kontinuierlichen Technologieoffenheit und Planungssicherheit für die Akteure abgewogen werden. Vor diesem Hintergrund haben beispielsweise die meisten der bisherigen transdisziplinären Reallabore zu kurz gegriffen: In einem Projektraum von drei Jahren lässt sich keine Transformation sinnvoll umsetzen und beurteilen. Entsprechend sollten neue Förderinstrumente entwickelt werden.
D : Handlungsoptionen aus dem Fachgespräch:
Wenn die Öffentliche Hand mit von der gesamten Gesellschaft getragenem Steuergeld in den Markt eingreift, muss das Erreichen von gesamtgesellschaftlichen Zielen als Prämisse gelten.
Das Ziel muss sein, das Kriterium der Klimaneutralität als Voraussetzung für staatliche Innovations- und Technologieförderung zu etablieren, denn dies sind Investitionen in Innovationen und Technologien, die zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele- und Klimaschutzziele dienen.
Von besonderer Bedeutung muss der Förderung und Weiterentwicklung der Startups sein. Die Plattformen für Gründungskultur und Unternehmertum müssen nachhaltig weiterentwickelt werden, da gerade die Start- ups die Kompetenz bieten flexible Designs von innovativen Förderprogrammen zu entwickeln, die sich an den aktuellen Herausforderungen orientieren und die Klimaneutralität fördern.
Hier kann die EU-Taxonomie ein Standard für die Definition nachhaltigen Wirtschaftens setzen. Die Anwendung kann die Entscheidungsgrundlage für die Vergabe öffentlicher Gelder sein.
Im Zentrum steht dabei der Umgang gerade mit denjenigen Wirtschaftssektoren, die für das Erreichen der Klima- und Nachhaltigkeitsziele erfolgskritisch sind. Diese emissionsintensiven Industrien müssen konsequent klimaneutral werden. Es müssen steuerungsrelevante Elemente ausgearbeitet werden, um über Förderprogramme und Vergabeverfahren öffentlicher Mittel die erforderliche Transformation zum zentralen Maßstab zu machen.