Migrationspolitischer Austausch in der Endinger Kornhalle am 21.04.2022 mit Marcel Emmerich MdB und Alexander Schoch MdL
Auf Einladung des Emmendinger Kreisverbands von Bündnis 90/Die Grünen gab es am vergangenen Donnerstag in der Endinger Kornhalle einen Austausch über die aktuelle Situation von Geflüchteten in Europa und im Landkreis. Kreisvorstand Rüdiger Tonojan moderierte die Veranstaltung, zu der neben Bundes und Landtagsabgeordneten vor allem in der Flüchtlingsarbeit Aktive eingeladen waren.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich, Obmann im Bundestag-Innenausschuss und Mitbegründer der Seebrücke-Gruppe in Ulm, berichtete zunächst von der aktuellen Lage der Fluchtbewegungen aus der Ukraine. Mit der erstmals aktivierten Massenzustromrichtlinie der EU werde nun genau das umgesetzt, was eigentlich generell passieren müsste: schnelle und unbürokratische Hilfe und Unterbringung für Menschen, die vor Verfolgung und Krieg flüchten. „Man sieht, was alles möglich ist, wenn etwas politisch und gesellschaftlich gewollt ist“, sagte Emmerich und betonte, dass man sich seitens der Bundesregierung für gleiche Bedingungen für alle geflüchteten Menschen einsetze und damit statt einer Politik der Abschottung eine Politik für eine „Gesellschaft der Vielen“ anstrebe. Denn unverändert sei auch die Situation für Menschen, die über das Mittelmeer, den Atlantik oder über den Balkan nach Europa flüchten, katastrophal. In Deutschland angekommen, erwarteten sie meist langwierige, bürokratisch undurchschaubare und psychisch belastende Verfahren. Hiervon konnte Christian Kühnel, Vorstandsmitglied des Grünen Ortsverbandes Endingen, eindrücklich berichten: „Diese Menschen dürfen nicht vergessen werden!“ Der Mitbegründer der monatlich stattfindenden Endinger Seebrücke-Mahnwache, der selbst seit über 30 Jahren in der Asylverfahrensberatung von Amnesty International tätig ist, pochte auf schnelle Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgehaltenen Vereinbarungen zur Asylpolitik.
Alexander Schoch, grüner Landtagsabgeordneter aus Waldkirch, schilderte ergänzend, was man in Baden-Württemberg aus dem großen Zuzug von Geflüchteten im Jahr 2015 gelernt und inzwischen fest installiert habe, beispielsweise das Integrationsmanagement und die Unterbringung nach dem sogenannten „Herbolzheimer Modell“. Auch er betonte, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Flüchtlingen geben dürfe. Die enorme Hilfsbereitschaft der Bevölkerung dürfe sich nicht nur auf Menschen aus der Ukraine beschränken.
Frau Dr. Ulrike Kleinknecht-Strähle schilderte die aktuelle Situation aus ihrer Sicht als Sozialdezernentin des Landkreises. Das Landratsamt sei gefordert, die politischen Beschlüsse auf Kreisebene umzusetzen, was ihren Mitarbeiter*innen viel abverlange. Dass diese besonderen Herausforderungen aktuell noch bewältigt werden könnten liege auch daran, dass man auf Erfahrungen und Strukturen von Helferkreisen und Initiativen aus dem Jahr 2015 zurückgreifen könne. Auch sie plädierte für vereinfachte Verfahren, die geflüchtete und oft traumatisierte Menschen nicht überforderten und hochqualifiziertes Personal nicht mit unnötiger Bürokratie belasteten.
Abschließend fasste Rüdiger Tonojan zusammen, dass es momentan große Bestrebungen gäbe, die Situation von Geflüchteten zu verbessern und diejenigen zu unterstützen, die haupt- oder ehrenamtlich bereits seit Jahren sehr gute Arbeit machten. Dennoch wäre es wichtig, diese Anstrengungen weiterhin durch politischen Druck aus der Bevölkerung zu unterstützen, wie zum Beispiel durch die Aktionen der Initiative Seebrücke, die sich seit Jahren für sichere Fluchtwege und einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten einsetzt. Einig war man sich, dass die derzeitige Flüchtlingswelle aus der Ukraine nicht die letzte sein würde, sondern auch im Hinblick auf die Klimakrise mit ganz neuen Fluchtbewegungen zu rechnen sei, auf die es sich vorzubereiten gälte.